In jedem Unternehmen gibt es Mitarbeiter*innen, die über Jahre hinweg Wissen durch Erfahrung aufgebaut haben. Dieses implizite Wissen, etwa in Form von praktischen Routinen, persönlichen Erfahrungswerten oder Kniffen, wird individuell im Arbeitsalltag erworben, aber selten schriftlich festgehalten, da es sich nur schwer in Worte fassen lässt. Kritisch wird es, wenn diese erfahrenen Mitarbeiter*innen das Unternehmen verlassen. Denn dann verschwindet mit ihnen häufig auch ein großer Teil ihres nicht dokumentierten Erfahrungswissens.
Anders ist es mit explizitem Wissen: Informationen, die bereits schriftlich vorliegen, wie etwa in E-Mails oder Protokollen, lassen sich vergleichsweise leicht in ein digitales Wissensmanagement überführen. So können auch andere Mitarbeitende gezielt darauf zugreifen und davon profitieren.
Netzbetreiber stehen dabei vor einer besonderen Herausforderung: Der demografische Wandel und die Änderungen des Stromnetzes durch erneuerbare Energien erhöhen den Wartungsaufwand, während wertvolles Erfahrungswissen durch Mitarbeiter*innenwechsel zunehmend verloren geht. Hier kann ein digital unterstütztes Wissensmanagement entscheidend helfen und den Herausforderungen entgegenwirken.
Ein Blick in die Praxis: Wenn Wissen nicht verloren gehen soll
Mitarbeiter A ist seit 40 Jahren im Unternehmen und kurz vor der Rente. In seiner Zeit als Wartungstechniker hat er jede Netzstation und jeden Schaltschrank in seinem Gebiet gewartet. Er weiß beispielsweise genau, dass Schaltschrank A mehr Lösungsmittel braucht und dass es in Netzstation B keinen Handyempfang für das Schaltgespräch gibt. Entsprechend kann er sich darauf vorbereiten. Mit seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen möchte er seinen Kolleg*innen seine Erfahrungen weitergeben. Da es in seinem Netzgebiet sehr viele ähnliche Schaltschränke gibt, fällt es ihm schwer, die Erfahrungswerte den jeweiligen Schaltschränken zuzuordnen.
Vom Erfahrungswissen zum KI-gestützten Assistenzsystem
Hier setzt die Methode aus dem Forschungsprojekt AProSys. Ziel ist es, ein flächendeckendes Wissensmanagement in der Energiebranche aufzubauen. Sowohl explizites als auch implizites Wissen soll systematisch gesammelt, strukturiert und für ein KI-basiertes Assistenzsystem nutzbar gemacht werden.
Die Methode nutzt Geodaten von Netzstationen, Unternehmensinformationen und die verschiedenen Teilprozesse der Wartung, um das Wissen geordnet niederzuschreiben. Dieser Ansatz verbindet Wissensmanagement mit KI-Assistenzsystemen. Damit liefert das Projekt erste Einblicke in die Entwicklung aktueller, domainspezifischer Assistenzsysteme, die Unternehmen im operativen Geschehen mit aktuellen Informationen unterstützen.
Ergebnisse auf der ECIS 2025 vorgestellt
Die Erkenntnisse aus dem Projekt wurden im Paper „Igniting Knowledge Management for Assistance Systems in Maintenance: A Method for Knowledge Gathering“ dokumentiert und auf der European Conference on Information Systems (ECIS) 2025 in Amman, Jordanien, von Alexander Skolik, wissenschaftlicher Mitarbeiter Wirtschaftsinformatik, insb. betriebliche Informationssysteme, präsentiert.
Die Konferenz wurde als Hybridveranstaltung durchgeführt und stand unter dem Leitthema „Gemeinsame Wertschöpfung für eine intelligente Zukunft“.
Beteiligt waren außerdem Dr. Philipp zur Heiden, Tamino Donner und Jennifer Priefer.
Paper: https://aisel.aisnet.org/ecis2025/ent_system/ent_system/2/