ENIAC-VR-Anwendung: Durch Virtual Reality den ersten Röhrencomputer neu erleben

Bildung, Ausbildung, Technik und Unterhaltung – das sind einige Bereiche, in denen Virtual Reality (VR) eingesetzt werden kann. VR bietet immer wieder neue Möglichkeiten, wenn es um die Ausbildung für komplexe Aufgaben geht, die in einer realen physischen Umgebung nicht geeignet umgesetzt werden kann oder diese nicht verfügbar ist. Dr. Enes Yigitbas, wissenschaftlicher Mitarbeiter im SI-Lab, der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung der Universität Paderborn im SICP – Software Innovation Campus Paderborn, Prof. Dr. Gregor Engels, stellvertretender Sprecher des SICP, und Christopher Bernal Tejedor, ehemalige studentische Hilfskraft im SICP, haben sich Virtual Reality zunutze gemacht, um den Electronical Numerical Integrator and Computer (ENIAC) in einer virtuellen Welt neu erlebbar zu machen und Interessierten die Möglichkeit zu geben, grundlegende Schritte bei dessen Programmierung durch eine VR-gestützte Anwendung zu erlernen.

ENIAC ist einer der weltweit ersten programmierbaren elektronischen Universalcomputer. Entworfen und gebaut wurde er zwischen 1943 und 1946 an der Universität von Pennsylvania in den Vereinigten Staaten. ENIAC war in erster Linie zur Berechnung von Artillerie-Feuertabellen für das Ballistik-Forschungslabor der US-Armee entworfen und verwendet worden. Das erste Programm war jedoch eine Studie über die Machbarkeit der thermonuklearen Waffe. Der Computer war etwa drei Meter hoch, zwei Meter tief, 24 Meter lang und wog etwa 30 Tonnen. Damit füllte er einen Raum von ca. 12 x 18 Meter.

Die Programmierung des ENIAC war äußerst kompliziert: Für jede Neuprogrammierung mussten die technischen Komponenten anders verkabelt werden. Dies nahm oft mehrere Tage in Anspruch.

Die Idee hinter der Virtual-Reality-Anwendung von Dr. Enes Yigitbas, Prof. Dr. Gregor Engels und Christopher Bernal Tejedor ist es, einen frühen Computer erlebbar und seinen historischen Kontext und seine Architektur verständlich zu machen sowie die komplexe und interaktive Aufgabe der Programmierung des Computers zu demonstrieren, da diese eine völlig andere Sprache benutzt. „Die Programmierung des ENIAC erfolgte durch entsprechende Einstellungen von Knöpfen und Schaltern sowie durch Verbindungskabel zwischen verschiedenen Komponenten der Maschine. Es gab also keine High-Level-Programmiersprache wie Java oder Phython. Stattdessen wurde alles über die Verkabelung geregelt“, erläutert Dr. Yigitbas. Anhand der ENIAC-VR-Anwendung sollen die Endbenutzer(innen) Schritt für Schritt durch eine vordefinierte Konfiguration des Rechners geführt werden. Sie bekommen so die Möglichkeit, die grundlegenden Programmierschritte eines frühen Computers in einer interaktiven Art und Weise zu verstehen. Die Implementierung der ENIAC-VR-Anwendung umfasst drei Szenarien: den Lernmodus, den Kurator-Modus und den Wartungsmodus. 

Im Lernmodus führt die ENIAC-VR-Anwendung die Benutzerin und den Benutzer Schritt für Schritt durch eine Programmieraufgabe des ENIAC, die eine einfache mathematische Formel berechnet. Für jeden Schritt liefert die VR-Anwendung unterstützende Erklärungen, um ein tieferes Verständnis der gegebenen Aufgaben zu schaffen. Nachdem die Aufgaben der Reihe nach erledigt wurden, wird eine Simulationsanimation abgespielt, um den Endzustand des ENIAC anzuzeigen. Der Kurator-Modus dient der Einführung in die Geschichte des ENIAC anhand eines kuratierten Rundgangs. In einer etwa fünf-minütigen Demonstration werden der historische Kontext des ENIAC sowie dessen technischen Details beleuchtet. Der Wartungsmodus ist ein experimenteller Modus, in dem eine Fehlfunktion des ENIAC simuliert und die Benutzerin oder der Benutzer angeleitet wird, einer Reihe von Anweisungen zur Behebung des Problems zu folgen. Dies ähnelt dem Lernmodus, allerdings mit dem Schwerpunkt auf dem Abschluss von Wartungsarbeiten wie dem Austausch defekter Vakuumröhren oder dem Wiederverschließen von Lötverbindungen. „Für die Zukunft planen wir, die Nutzbarkeit unserer ENIAC-VR-Anwendung in Zusammenarbeit mit dem Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn zu evaluieren“, so Dr. Yigitbas.

Foto: Sergei Magel/HNF